
In dem Kurzroman von Maylis de Kerangal fährt die Transsibirische Eisenbahn immer „Weiter nach Osten“, von Moskau nach Wladiwostok. Sie befördert Touristen, Geschäftsleute und auch junge Rekruten – darunter Aljoscha, 20 Jahre alt, der desertieren will.
Aljoscha ist zwangsrekrutiert worden. Niemand hat ihn unterstützen können, ein falsches Attest zu erhalten oder Behörden zu bestechen. Auch eine schwangere Freundin oder Ehefrau (Schwangerschaft ab 6. Monat zählt als Verhinderungsgrund) kann er nicht vorweisen. So zählt er zu den jungen Männern, die in Russland traditionellerweise zum 1. April einberufen werden.
Während der Zug in Richtung Osten rollt und die jungen Männer im letzten Waggon der dritten Klasse eingezwängt sind, wächst sein Entsetzen. Er weiß nämlich, in der Kaserne wird es die „dedowschtschina“ geben, das sadistische Demütigen der Neuen durch die Rekruten des zweiten Jahres. Dazu kommt der Dienst an der Waffe – und wo er stationiert sein wird, ist auch unklar. Gelegenheit zu einer Heimatreise wird es jedenfalls erst geben, wenn der Wehrdienst beendet sein wird.
In Krasnojarsk gelingt die Flucht schon mal nicht, zu streng ist die Überwachung. Doch in dieser Stadt steigt eine Französin in den Zug, Hélène. Sie hat sich von ihrem russischen Geliebten Anton getrennt. Mit Aljoscha raucht sie schweigend in der Nacht, die beiden haben keine gemeinsame Sprache. Doch Aljoscha versteht es, sie um Hilfe zu bitten.
Sie nimmt ihn mit in ihr Erste-Klasse-Abteil. Doch da ist er natürlich nicht sicher, nach ihm wird gesucht.
Fazit:
Das ist eine spannende Reise, von der ersten bis zur letzten Seite! Maylis de Kerangal schildert sie in langen, atemlosen Sätzen. Der Roman ist 2012 erstmals in französischer Sprache erschienen und nach wie vor sehr aktuell.
Maylis de Kerangal: Weiter nach Osten. Roman
Aus dem Französischen von Andrea Spingler
Suhrkamp Verlag 2024, gebunden mit Schutzumschlag, 90 Seiten, 20,00 €
ISBN: 978-3-518-43212-9