
Ein „Name an der Wand“ ist eingeritzt in die Mauer des neuen Zuhauses von Hervé Le Tellier. Er will wissen, wer dieser André Chaix war und begibt sich auf eine Reise in die Geschichte, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in der Region Drôme. Es geht um Nationalsozialismus und Kollaboration, um Widerstand und Courage in schwierigen Zeiten – und um Denkanstöße für heute.
Der Autor kauft ein Haus im Südosten Frankreichs, im beschaulichen Dorf La Paillette in der Region Drôme. An einer Wand seines neuen Heims findet er den Namen André Chaix: Dieser war Mitglied der Résistance und erst zwanzig Jahre alt, als er von deutschen Soldaten erschossen wurde.
Hervé Le Tellier entdeckt den Namen André Chaix auch in einer Ausstellung über den Widerstand in der Region Drôme. Er folgt seinen Spuren: Wer war dieser junge Mann? Was für ein Leben führte er, wer war seine erste große Liebe? Was hat ihn dazu bewegt, sein Leben im Kampf gegen die Besatzer aufs Spiel zu setzen? Eine Schachtel mit Briefen, Bildern und persönlichen Gegenständen gibt ihm Anhaltspunkte für seine Erkundungen.
Dabei greift der Autor verschiedene Themen auf, die zur Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich eine Rolle spielten: die Résistance und ihre komplexen Gruppierungen; kleine Inseln der Solidarität; die Deportationen in deutsche Vernichtungslager, die Massaker an französischen Zivilisten als Vergeltungsmaßnahmen, die Zwangsrekrutierung von französischen Arbeitern nach Deutschland, Kollaboration, Paris und die deutsche Besatzung, die Amnestie im Jahr 1953.
Hervé Le Tellier lässt in „Der Name an der Wand“ auch nicht die Frage aus: Wie wird man zu was? Warum haben so viele beim Nationalsozialismus mitgemacht? Und damit meint er nicht nur deutsche Täter. So verwebt er ein persönliches Schicksal mit der europäischen Geschichte. An einigen Stellen verliert der Text durch die Exkurse des Autors, zum Beispiel zur Filmindustrie in Kriegszeiten, nach meinem Geschmack den roten Faden. Dennoch: Dieses Buch ist sehr beeindruckend!
Fazit:
Absolut empfehlenswert! Und dieser Satz von Hervé Le Tellier ist besonders aktuell: „Nicht vergessen: Faschismus funktioniert schneller als jede Demokratie.“
Hervé Le Tellier: Der Name an der Wand. Aus dem Französischen von Romy Ritte und Jürgen Ritte.
Rowohlt 2025, gebundene Ausgabe, mit Abbildungen, 160 Seiten, 24,00 €
ISBN: 978-3-498-00742-3