Karine Tuil: Menschliche Dinge. Roman

Karine Tuil Menschliche Dinge
Buchcover Claasen Verlag: Tuil, Menschliche Dinge

Wie eine Bilderbuchfamilie aus dem elitären Pariser Milieu erscheint die Familie Farel: Jean Farel ist ein prominenter Fernsehjournalist. Seine Frau Claire hat sich als Intellektuelle einen Namen gemacht, Feminismus ist ihr Beruf. Der Sohn Alexandre studiert an einer amerikanischen Elite-Uni und ist auf Heimatbesuch in Paris. Sein Vater soll im Élysée-Palast einen Orden erhalten und zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt werden. Was für eine Ehre, da muss die Familie zusammenkommen. Doch dann steht die Polizei vor der Tür: Eine junge Frau hat Anzeige gegen Alexandre wegen Vergewaltigung erstattet. Jetzt bekommt die glänzende Fassade heftige Risse.

Sex, Machtmissbrauch und Kälte

Sex war unbestreitbar der wirksamste Brandbeschleuniger, löste das ultimative Inferno aus – Schluss mit der Maskerade.“ So beginnt der Roman von Karine Tuil, und damit ist das Thema sogleich gesetzt. Zum einen geht es um den Studenten aus bestem Hause Alexandre Farel, „dem bisher alles gelungen ist“, der eine junge Frau unter Alkohol und Drogen gesetzt und dann misshandelt hat. Geschildert wird der Gerichtsprozess aus verschiedenen Perspektiven. Vorlage dafür ist ein realer Fall von 2016 an der Elite-Uni Stanford.

Zum anderen gewährt die Autorin einen Einblick in eine Familie, in der alles auf Performance und gesellschaftlichen Rang ausgerichtet ist. Miteinander leben die Farels in großer emotionaler Kälte. Im Roman wird die Vergewaltigung als Familientragödie in den Fokus genommen. Dem jungen Mann soll doch die Zukunft nicht verbaut werden! Der Vater will schlechte Einschaltquoten für seine Sendungen vermeiden, die Mutter muss um ihr Image fürchten. Das Leid der vergewaltigten jungen Frau, Mila Wizman, bleibt eher im Hintergrund.

Was spielt sich nicht alles hinter den Kulissen der Familie Farel ab! Sex und Machtmissbrauch für den beruflichen Aufstieg, Erpressung, Abtreibung bei fortgeschrittener Schwangerschaft, Nebenfrauen und Nebenmänner – menschliche Dinge eben.

Fazit:

Sehr spannend geschildert sind diese menschlichen Abgründe. Leider kommen im Roman – wie wohl auch oft im richtigen Leben – die Protagonisten mit der guten Performance und den besten Anwälten wieder auf die Füße. Ganz im Gegensatz zu den Personen, denen Gewalt angetan wurde.

Karine Tuil: Menschliche Dinge

Claasen Verlag 2020, gebundene Ausgabe ‏384 Seiten, 22,00 Euro,
ISBN-9783546100021

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