Unsere Freunde Maja und Matthias haben sich aufs Rad geschwungen und für nachfrankreich.de wieder einen Gastbeitrag verfasst. Ihre Tour führte diesmal von Orléans nach Nantes, immer die Loire entlang am EuroVelo 6. Hier sind ihre Eindrücke. Ein Text von Maja Volkgenannt.

Eine Auswahl treffen und genießen
Die Radtour von Orléans nach Nantes ist herausfordernd, und das nicht etwa in sportlicher Hinsicht. Denn die Dichte an Kulturdenkmälern ist beeindruckend.
Wir verfolgen wieder die Idee einer entspannten Radreise mit vielen Genussmomenten.
Wilfried Hansmann schreibt in seinem Klassiker, dem DuMont Kunst-Reiseführer „Das Tal der Loire“ 1992: „Wer alle Kunststätten mir Muße genießen will (…) benötigt mit dem Auto etwa fünf Wochen.“
Auf uns wirkt diese Ansage jedoch keinesfalls abschreckend. Erfahrung haben wir bereits im vergangenen Jahr gesammelt auf unserer Tour von Orléans nach Basel. Wir verfolgen wieder die Idee einer entspannten Radreise mit vielen Genussmomenten. Dabei beschränken wir uns auf wenige, aber besondere Orte.

Bei relativ kurzen Tagesetappen bleibt dabei Zeit für Besichtigungen und französische Lebensart einschließlich kulinarischer Entdeckungen.
Zur Inspiration und als Wegweiser haben wir sowohl Wilfried Hansmanns Reiseführer als auch das Buch der Historikerin Sylvia Jurewitz-Freischmidt „Die Herrinnen der Loire-Schlösser“ im Gepäck. Beide Bücher, leider nur noch antiquarisch zu bekommen, vermitteln grundlegende Informationen und regen zu Entdeckungen abseits der üblichen Touristenhotspots an. So ausgestattet beginnen wir unsere Radtour von Orléans nach Nantes – La Loire à vélo!

Von Orléans nach Blois
Der EuroVelo 6 führt durch eine geschichtsträchtige und sehr beliebte Region Frankreichs. Reich an landschaftlichen Schönheiten wie dem unregulierten Flusslauf der Loire, Weinbergen, malerischen Dörfern, Kirchen und Schlössern. Es gibt also viel zu sehen!
Nach der Autoanreise nach Nantes fahren wir mit dem Zug nach Orléans, um von dort zu starten. Der erste Tag führt uns von Orleans nach Blois. Wir bleiben dabei auf dem Radweg, der direkt der Loire folgt. Als Einstieg begrüßt uns die herrliche Strecke, bei der sich Natur und historische Dörfer abwechseln. Kirchen mit romanischer Bausubstanz finden wir in fast jedem Dorf.


Kurz vor Beaugency radeln wir auf die längste mittelalterliche Brücke Frankreichs zu, die aus 22 gotischen Bögen besteht. Weitaus reizvoller ist jedoch die kleine historische Innenstadt mit dem „Tour de César“, der mit seiner durch Lisenen gegliederten Mauerfläche ein schönes Beispiel mittelalterlicher französischer Festungsbaukunst ist. Auch das dreiflügelige Schloss mit polygonalem Treppenturm ist sehenswert. Im Innenhof des Schlosses lädt das Café des Museums zu einer Rast ein: selbstgemachte Limonade ist genau das Richtige an einem heißen Sommertag!
Nördlich der Loire geht es weiter nach Blois. Über weite Strecken begleitet uns das breite Flussbett der Loire. Der nicht regulierte Fluss führt in diesem heißen Sommer wenig Wasser, zahlreiche Nebenarme sind fast ausgetrocknet. Fast kann man hier die Loire zu Fuß überqueren.

Blois kündigt sich schon von weitem an: Auf einer Erhebung ist das mächtige Schloss zu sehen. Die Stadt gehört zu den bedeutenden Königsstädten an der Loire, französische Geschichte ist hier zum Greifen nah.
Das Schlossensemble spiegelt höchst unterschiedliche Bauphasen wider: die traditionelle, repräsentative spätgotische Außenfassade und die Hof-Front, bei der die Gliederung mit Arkaden deutliche Anklänge an die italienische Renaissance zeigt.

An mehreren Stellen treffen wir auf das königliche Wappen und das Stachelschwein als Emblem des Königs Ludwig XII. Zusammen mit der Reiterfigur des Königs ziert es das Rundbogenportal zum Innenhof. Großartig ist auch der Schlossflügel mit dem Treppenturm, erbaut ab 1515 von König Franz I.
Weiter nach Amboise und Tours
Am nächsten Tag erreichen wir Amboise: Die ehemalige Königsresidenz thront auf einem Plateau über der quirligen Altstadt. Einen ersten, seitlichen Blick auf das königliche Bauwerk genießen wir mit einem Eisbecher im Café Bigot. Das stilvoll eingerichtete Café punktet mit selbst hergestelltem sehr gutem Eis und perfektem Service.

Die abendliche Schloss-Besichtigung ist äußerst stimmungsvoll, die beleuchtete Fassade lässt sich am besten von der Loire-Brücke aus genießen.
Für das Schloss-Areal selbst nehmen wir uns am nächsten Morgen reichlich Zeit. König Karl VIII. hatte mit italienischen Architekten und Künstlern das weitläufige Schloss mit Renaissancemerkmalen erbauen lassen. Die museal genutzten Räume sind zwar nicht mehr original erhalten, vermitteln jedoch noch den Eindruck einstiger Größe.
In Amboise verbrachte Leonardo da Vinci die letzten drei Jahre seines Lebens. Sein Ruf war bis an den französischen Hof gedrungen und sein Förderer wurde Franz I. Sein Wohnhaus in Clos-Lucé, nicht weit vom Königsschloss gelegen, mit Modellen vieler seiner Erfindungen ist einen Abstecher wert.

Im Kontrast zu der kleinen Residenzstadt Amboise steht die Universitätsstadt Tours, wo der Radweg auf den Fluss Cher trifft. Eine Hauptsehenswürdigkeit ist die imposante Kathedrale mit den Königsgräbern und glanzvollen Glasmalereien. Die Doppelturmfassade ist ein Hauptwerk der Flamboyant-Gotik.
Eine weitere große Stadtkirche, im zweiten Zentrum der Stadt, das auf eine römische Siedlung zurückgeht, ist Saint Martin. Der ehemalige römische Legionär Martinus wurde in Tours als der heilige Martin verehrt. Die ihm gewidmete Kirche, die sein Grab enthält, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die ursprüngliche große Pilgerkirche aus dem 11. Jahrhundert wurde im Verlauf der Französischen Revolution zerstört.
Candes-Saint-Martin an der Mündung der Vienne in die Loire ist für die Geschichte um den heiligen Martin ein entscheidender Ort. Die Stiftskirche erinnert an den hl. Martin und den Konflikt zwischen den Städten Poitiers und Tours, die beide den Leichnam beanspruchten. Das lukrative Geschäft mit der Reliquie entschied Tours für sich.

Wichtigster Ort in der romanischen Wallfahrtskirche ist die Stelle, an der das Sterbelager des hl. Martin vermutet wurde. Um die Martinskapelle herum wuchs die Kirche zu dem imposanten, wehrhaften Bau, den sie heute darstellt. Die Wuchtigkeit des Baus spricht auch für die Einbeziehung älterer Bausubstanz.
Über Montsoreau und Angers nach Nantes

Nach einem erholsamen Stopp in Montsoreau im historischen Hotel Le Bussy mit Schloßblick, direkt am Ufer der Loire, machen wir einen etwas strapaziösen Abstecher:
Die Abtei Fontevraud ist trotz ihrer wechselhaften Geschichte, Zerstörungen und Nutzung als Gefängnis immer noch die größte erhaltene Klosteranlage Frankreichs. Eindrucksvoll sind die Königsgräber, die außergewöhnlich gestaltet sind. Die Grabmale sind in Form von aufwändig dekorierten Betten mit überlebensgroßen liegenden Figuren gestaltet.

Wieder zurück auf dem EuroVelo 6 liegen links von uns Höhlensiedlungen, die teilweise noch bewohnt und mit Komfort ausgestattet sind. Der Radweg führt hier jetzt mit einigen Steigungen weiter an Saumur vorbei, so umgehen wir die verkehrsreiche Uferstraße. Dabei entdecken wir in kleineren Orten ehemalige Waschhäuser: Offene, überdachte Wasserstellen, die uns mit Trinkwasser und erfrischenden Waschgelegenheiten vor der großen Hitze retten.




Die letzte von uns besuchte Königsstadt Angers besichtigen wir zwei Tage lang. Die Stadt liegt am Zusammenfluss von Loire und Maine. Das Château thront auch hier über der Altstadt. Das Schloss ist mit Festungsmauern aus Schiefer und hellem Sandstein sehr prägnant.

Abgebaut wurde der Schiefer in einem Steinbruch östlich der Stadt, dem jetzigen Parc des Ardoisières, der mit seinen blauen Seen eine magische Stimmung erzeugt.
In einer Ausstellungshalle auf dem Schloss-Areal ist das berühmteste Kunstwerk der Stadt zu sehen: der monumentale Wandteppich-Zyklus der Apokalypse aus dem 14. Jahrhundert.


Weiter auf dem Weg nach Nantes wird die Landschaft zunehmend flacher, die landwirtschaftliche Nutzung nimmt zu. Atlantikluft weht uns entgegen.
Angekommen in Nantes, genießen wir die gut ausgeschilderten Radwege, die uns sicher durch den Großstadtverkehr leiten.

Unsere persönlichen Highlights auf der Radtour von Orléans nach Nantes
- Das königliche Stachelschwein in Blois
- Das köstliche Café Bigot in Amboise
- Die Spuren von St. Martin
- Montsoreau und die Übernachtung im Hotel Le Bussy

Praktische Hinweise für die Radtour von Orléans nach Nantes – La Loire à vélo!
- Vereinfachte Anreise aus Deutschland: Mit dem Auto nach Nantes; das Auto blieb dort auf einem Hotelparkplatz stehen (zu Start und Ende haben wir in einem Hotel am Stadtrand übernachtet). Wir reisten mit dem Zug nach Orléans und starteten von dort aus unsere Tour.
- Wir sind 50-60 Kilometer am Tag gefahren und haben jede Nacht das Quartier gewechselt (nur in Angers sind wir für zwei Übernachtungen geblieben).
- Alle Unterkünfte haben wir im Voraus gebucht.

Weitere Infos
- https://www.loire-radweg.org/geeignet-fur-fahrradtouren/
- https://de.francevelotourisme.com/radroute/la-loire-a-velo-loire-radweg
- Siehe auch den Beitrag über Teil 1 der Fahrradtour: Mit dem Fahrrad von Orléans nach Basel. Dort weitere Tipps und Infos.

Ein Gastbeitrag auf nachfrankreich.de
Autorin: Maja Volkgenannt, 2024