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Avignon – in der Straße des Königs René

Auf diesem Spaziergang geht es von der Rue de la République, der Hauptstraße intra muros (innerhalb der Stadtmauern), ins mittelalterliche und barocke Avignon rund um die verwinkelte Rue du Roi René. In wenigen Schritten tauchen wir ein ins kulturelle und historische Gedächtnis der Stadt. Unter anderem zu Kardinal Ceccano und der Stadtbibliothek, zum Komponisten Olivier Messiaen und zum Dichter Petrarca.

Von der Rue de la République zur Place St. Didier

Die Rue de la République ist ein schnurgerader Boulevard, der in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt wurde. Sie verbindet den Hauptplatz Place de l’Horloge mit dem Bahnhof. An einer kleinen Platzweitung mit Denkmal-Brunnen biegen wir vom Bahnhof gesehen rechts ab und tauchen tief ins Straßengewirr und ins kulturelle und historische Gedächtnis von Avignon ein. Als erstes nehmen wir die Rue Prévot. Hier erhebt sich gleich rechts ein altertümliches, wuchtiges, zinnengekröntes Gebäude: die Livrée Ceccano.

Bei Kardinal Ceccano
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Der Stadtpalast des Kardinals Ceccano in Avignon beherbergt heute eine moderne Mediathek | Foto: Britta Lehna

Als Livrée cardinalice bezeichnete man in Avignon den Wohnsitz eines Kardinals und seiner Gefolgschaft. Annibal de Ceccano (1282-1350) war ein Pracht liebender Kirchenfürst. In seinem Palast logierte 1376 auch die hl. Katharina von Siena bei ihrem Aufenthalt in Avignon. Sie soll Papst Gregor XI. in seiner Absicht bestärkt haben, Avignon zu verlassen und nach Rom zurückzukehren. Der Zugang zur Livrée Ceccano, jetzt als moderne Médiathèque Ceccano Sitz der Stadtbibliothek, erfolgt über den Hof von der Rue Laboureur 2 aus.

In der Folge erreichen wir die Place St. Didier neben der gleichnamigen Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Der Platz mit seinen Schatten spendenden Bäumen und seinem gastronomischen Angebot liegt an der Stelle des ehemaligen Friedhofs der Kirche.

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In Avignon an der Place St. Didier: Mit dem gepflegten Hund …
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… weiter zum Aperitiv auf der Caféterrasse | Foto: Britta Lehna
Kirche St. Didier

Diese Kirche St. Didier ist, außer durch ihre schlichte gotische Architektur und Wandmalereien, in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es befinden sich im Innern:

  • Das Grabmal des hl. Bénézet, einer der Stadtpatrone und legendärer Erbauer der Brücke von Avignon
  • Die „Kreuztragung Christi“, ein steinernes Relief des Künstlers Francesco Laurana (geb. in Dalmatien 1430, gest. in Avignon 1502), in Auftrag gegeben 1478 vom „bon Roi René“, zählt zu den frühesten Werken der Renaissance in Frankreich. *
  • Eine kleine Gedenktafel, die darauf hinweist, dass der in Avignon geborene, bedeutende Komponist und Organist Olivier Messiaen (1908-1992) an Weihnachten 1908 in St. Didier getauft wurde. 1931 übernahm er die Organistenstelle an der Kirche La Trinité (Paris, 9. Arrondissement), die er 60 Jahre lang innehatte.

Die nach Messiaen benannte Musikschule in Avignon „Conservatoire Olivier Messiaen“ hatte ihren Sitz bis 2007 im barocken Palais de la Monnaie, Place du Palais; jetzt befindet sie sich an der Place Pie. Einen Eindruck des Werks für Orgel von Messiaen vermittelt die Website https://www.mixtur.ch/olivier-messiaen/.

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Namensgeber Olivier Messiaen am Palais de la Monnaie, Avignon | Foto: Hermann Lehna

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Beim „guten König René“

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Avignon, Rue du Roi René. Links Hôtel Fortia de Montréal, rechts Hôtel de Berton de Crillon, hinten Kirche St. Didier | Foto: Britta Lehna

Nun endlich betreten wir die schmale Rue du Roi René mit den sich gegenüber liegenden barocken Adels-Palästen „all’italiana“ Hôtel Fortia de Montréal und Hôtel de Berton de Crillon. Umgeben von solchen Fassaden könnte man sich in eine italienische Stadt, zum Beispiel Bologna, versetzt fühlen. Einige Paläste sind renoviert, andere warten noch auf ein Erwachen aus dem Dornröschen-Schlaf. Auf jeden Fall ein schönes Ambiente!

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Du wirst beobachtet in der Rue du Roi René, Avignon
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Hôtel de Berton de Crillon | Fotos: Hermann Lehna

Die Straße heißt erst seit 1941 Rue du Roi René, benannt nach dem „guten König René“.

René I. d’Anjou (geboren 1409 im Schloss von Angers; verstorben 1480 in Aix-en-Provence), genannt „Le bon Roi René“: Er war unter anderem Herzog von Anjou und Graf der Provence und von Forcalquier, aber auch König von Neapel (bis 1442) und Titularkönig von Jerusalem (bis 1480). Warum er wohl der gute König René genannt wurde?

Medaille: René I. d’Anjou und seine zweite Ehefrau Jeanne de Laval.
Francesco Laurana schuf diese Medaille ( Ø 9 cm).
Sie befindet sich in Washington, National Gallery of Art. | Foto: National Gallery of Arts Washington, gemeinfrei

„Für die Provence war seine Regierung eine Zeit des Friedens und des Wohlstands; hier erhielt er seinen Beinamen „Guter König René“. **

„Die Nachwelt hat von René d’Anjou das Bild des ‚bon roi René‘ beibehalten, aber sein politisches Wirken wird von einigen Historikern kritisch diskutiert; die Provenzalen haben ihn mit einer Maske der Gutmütigkeit versehen; sein politisches Werk ist lange überschätzt worden.“ (Text im Original französisch) ***

Wie dem auch sei, René I. förderte die Künste in seinen Residenzstädten Angers, Avignon, Aix-en-Provence und Tarascon. In Avignon ließ er sich an der Straße, durch die wir hier gerade laufen, zwischen der heutigen Rue du Collège de la Croix und der Rue Grivolas einen großen Wohnsitz errichten. Dieser wurde allgemein „Maison du Roi René“ genannt.

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Avignon, Rue Grivolas. Eine Tafel weist auf die „Maison du Roi René“ hin. | Foto: Britta Lehna

René hat sich nur kurz in diesem enormen „Haus“ aufgehalten. Das Gebäude ist heutzutage nur noch sehr verändert und überformt erahnbar.

In der Rue Grivolas erinnern das „Théâtre du Roi René“, das Restaurant „La Maison“ und eine Gedenktafel an das fürstliche Anwesen. Auch eine Denkmalschutz-Akademie, die „Ecole d’Avignon“ hat hier ihren Sitz.

Der Dichter Petrarca und seine Liebe

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Vor der ehemaligen Kirche Ste. Claire in der Rue du Roi René in Avignon | Foto: Hermann Lehna

Einige Schritte nach der Einmündung der Rue Grivolas steht man in der Rue du Roi René vor einer glatten Kalksteinmauer mit Spitzbogenfenster und Durchgang zum „Théâtre des Halles“. Hier sind Reste der Kirche Ste. Claire erhalten. Eine Gedenktafel an der Mauer vergegenwärtigt eine außergewöhnliche Begegnung, die hier im 14. Jahrhundert stattgefunden hat:

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Petrarca und Laura und ihre unsterbliche Liebe. | Foto: Hermann Lehna

Der Dichter und Intellektuelle Francesco Petrarca (1304-1374), der lange Jahre in und bei Avignon lebte, trifft in der Kirche Ste. Claire am 6.4.1327 auf Laura, zu der er in Liebe entflammt. Ob diese Laura eine poetische Projektion oder eine reale Person war, ist umstritten. Seiner Liebe verleiht Petrarca in zahlreichen, in italienischer Sprache geschriebenen Gedichten Ausdruck. Diese Sammlung nennt er „Canzoniere“.

In Wien, im Kunsthistorischen Museum, befindet sich eine marmorne Büste, geschaffen von Francesco Laurana (dem wir hiermit zum dritten Mal begegnen). Sie könnte ein Idealporträt der Laura sein.

Laura

Petrarca gilt zusammen mit Dante und Boccaccio als wichtigster Vertreter der frühen italienischen Literatur. Er verheimlichte nicht, dass er die Stadt Avignon verabscheute; die Papststadt schien ihm ein „neues Babylon“ zu sein!

Aber er mochte offensichtlich die ländliche Umgebung der Stadt. Unweit von Avignon erhebt sich der Mont Ventoux. Petrarca hat den 1909 Meter hohen „Giganten der Provence“ am 26. April 1336 bestiegen und beschrieben. Sein Bericht ist die erste überlieferte Darstellung einer Berggipfel-Besteigung, einfach nur so um die Natur zu genießen.

In dem stillen, kleinen städtischen Park Square Pétramale hinter der denkwürdigen Kalksteinmauer können wir diesen Spaziergang ausklingen lassen.

Ein Park an der Stelle der Kirche Ste. Claire | Foto: Britta Lehna

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