Kurz vor Weihnachten im französischen Juragebirge: Um 8.30 h schließt Catherine Burgod die Postfiliale auf. Eine halbe Stunde später ist sie tot, durchbohrt von 28 Messerstichen. Obwohl die Post mitten im Ort liegt, hat keiner etwas gesehen oder gehört. Wer war der Mörder? Ein ganzes Dorf sucht ihn. Verdächtigt wird unter anderem ein Schauspieler, der zeitweise dort lebte. Florence Aubenas schildert die Hintergründe eines echten, bislang nicht aufgeklärten Kriminalfalls aus dem Jahr 2008.
Im kleinen Ort Montréal-La-Cluse im Haut Bugey im Osten Frankreichs kennt man sich untereinander. Die Menschen arbeiten hart als Bauern oder in einer Kunststoff-Firma. Denn diese Region in den Bergen ist Plastics-Vallée! Im Sommer bietet der See von Nantua Ablenkung, die nächsten Städte Bourg-en-Bresse und Genf sind nicht so schnell zu erreichen. Das ist „La France profonde“, französische Provinz. Warum sollte hier ein Verbrechen geschehen?
Florence Aubenas zeichnet ein Porträt des Ortes Montréal-La-Cluse und seiner Bewohner: Catherine Burgod und ihre Freundinnen, der einflussreiche Ex-Bürgermeister und Vater von Catherine, der zukünftige Ex und der Neue von Catherine und dazu einige Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben und bald unter Verdacht stehen. Dazu gehört der Schauspieler Gérald Thomassin. Aus prekären Verhältnissen stammend, wurde er schon früh als Filmtalent entdeckt und hofiert. Er ist ein Getriebener, mal charmant und verständnisvoll, mal aufbrausend und (teils unwahre) Geschichten fabulierend; sehr von seinen Impulsen und von Alkohol und Drogen gesteuert. Nach Montréal-La-Cluse kommt er, um Abstand zu gewinnen. Hier lebt er abgebrannt in einer Bleibe namens Grotte. Weil seine Umgebung ihn nicht einschätzen kann und Catherines Vater hartnäckig nach einem Schuldigen suchen lässt, gerät er unter Mordverdacht – allerdings erst Jahre später.
Fazit:
Mit viel Einfühlungsvermögen und spannend geschrieben: Die Autorin, eine bekannte französische Journalistin, hat sechs Jahre lang die Hintergründe dieses wahren Kriminalfalls recherchiert. Auch zu Thomassin hat sie Kontakt gepflegt. Seit dem 29. August 2019 ist dieser jedoch spurlos verschwunden. Seine Unschuld hat er immer beteuert.
Florence Aubenas: Er ist keiner von uns. Aus dem Französischen von André Hansen.
dtv Verlag 2022, kartonierte Ausgabe 256 Seiten, 15,95 Euro
ISBN: 978-3-423-26340-5
