Besançon: Kunst im Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie

An der geschäftigen Place de la Révolution von Besançon gelegen, bietet dieses Museum eine großartige Sammlung von Exponaten mit lokaler, überregionaler und internationaler Bedeutung. Die kleine Auswahl der hier vorgestellten Werke soll dazu anregen, die Originale selbst in Augenschein zu nehmen!

Ein öffentliches Museum mit langer Geschichte

Das Kunst- und Archäologie-Museum in Besançon ist das älteste öffentliche Kunstmuseum in Frankreich: 1694 von Abbé Boisot, dem Abt der Abtei St. Vincent in Besançon gegründet, ca. ein Jahrhundert früher als der Louvre. Es hat seinen Sitz in der ehemaligen Getreidehalle der Stadt, einem Gebäude des Architekten Pierre Marnotte aus dem Jahre 1835.

Besançon Musée des Beaux Arts
Besançon: Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Nische an der Fassade | Foto: Britta Lehna
Besancon Busticket mit Musée
Carte rechargeable (Busticket) mit Hinweis auf Wiedereröffnung des Museums im November 2018

Von 1967 bis 1970 wurde nach Plänen von Louis Miquel, einem Mitarbeiter von Le Corbusier, das Innere völlig umgekrempelt: Ein Baukörper aus rauem Sichtbeton mit einer Abfolge von Rampen und Podesten entwickelt sich nach oben bis unter die Glasdächer des Atriums. Nach einer weiteren Umstrukturierung durch Adelfo Scaranello wurde das Museum 2018 wiedereröffnet.
Zur Museumsgeschichte, mit vielen Abbildungen dokumentiert: http://www.mbaa.besancon.fr/archivesmbaa/ (französischsprachige Website)


Der Museumsbestand

Der umfangreiche und qualitätvolle Bestand an Kunstwerken geht ursprünglich auf die Sammlung der adeligen Diplomatenfamilie Granvelle zurück. Er ist über die Jahrhunderte unter anderem durch großzügige Schenkungen stetig angewachsen.

Besancon MuseeBA Bronzino
Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Besançon. Bronzino: Déploration sur le Christ mort, 1543-50 | Foto: Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie
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Bronzino: Déploration sur le Christ mort (Detail). Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie | Foto: Hermann Lehna

Aus der Sammlung Granvelle stammt auch das Altarbild “Déploration sur le Christ mort“ (Beweinung Christi; 1543-45, 268x173cm) von Agnolo Bronzino (1503-1572), einem prominenten Maler des florentinischen Manierismus. Es beeindruckt durch seine Größe, Fülle der Figuren, Inszenierung, malerische Qualität, außerordentliche Komposition und Farbigkeit.
Dieses Gemälde schenkte kurz nach seiner Vollendung und seiner Anbringung im Palazzo Vecchio in Florenz 1545 der Herzog Cosimo I. de’ Medici dem Nicolas Perrenot de Granvelle. Dieser war damals Diplomat im Dienste des Kaisers Karl V. Granvelle verbrachte es nach Besançon in seinen Palast. Für den herzoglichen Palazzo in Florenz malte Bronzino flugs eine Zweitfassung des Bildes.

Eine Auswahl von Werken

Im Folgenden möchten wir hier eine sehr subjektive und ganz kleine Auswahl von Werken vorstellen, und zwar nach zwei Gesichtspunkten:

  • Ich schaue dem Künstler bei der Arbeit zu“ und
  • Courbet malt Szenen aus der Franche-Comté

Auffällig innerhalb des Museums-Bestandes ist eine Gruppe von Terrakotten, u. a. des aus Besançon stammenden Bildhauers Luc Breton (1731-1800), der lange in Rom gelebt hat. Es sind kleine Tonplastiken, bei deren Betrachtung man dem Künstler förmlich über die Schulter zu schauen glaubt und “sieht”, wie er flott das Modellierholz geführt und die Tonklümpchen zusammengefügt hat:

So die “Apotheose des hl. Luigi Gonzaga/St. Louis de Gonzague”, ein kleinformatiges Tonrelief, von Luc Breton geschaffen nach dem monumentalen plastischen Altaraufsatz von Pierre Le Gros dem Jüngeren im Querhaus der Jesuitenkirche Sant’Ignazio (Rom).

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Luc Breton: Apotheose des hl. Luigi Gonzaga. Terrakottarelief (Detail). Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie | Foto: Hermann Lehna

Modellierte Luc Breton in Rom vor Ort in Sant’Ignazio, arbeitete er in seiner Werkstatt nach eigenen Skizzen, verwendete er Stiche des prominenten Altars als Vorlagen – wer weiß.


Besancon MuseeBA Bonnard
Pierre Bonnard: Marthe à la toilette, 1919. Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie | Foto: Hermann Lehna

Vor der eingangs erwähnten Sichtbetonwand des Louis Miquel hängt Pierre Bonnards (1867-1947) Gemälde “Marthe à la toilette”, 1919. Bonnards Malweise ist so frisch, offen und duftig (aber keineswegs nachlässig!), dass man den Vorgang des Farbauftrags beim Betrachten des Bildes ohnehin mitdenken kann. Und wenn du magst, erahnst du rechts oben im Bild einen dieser grimassierenden Köpfe, die Bonnard möglicherweise als Gegenpräsenz zum Hauptmotiv in manchen seiner Gemälde verbirgt. Bonnard schrieb im Jahr 1946 diese bemerkenswerte Notiz:

J’espère que ma peinture tiendra, sans craquelures.
Je voudrais arriver devant les jeunes peintres de l’an 2000 avec des ailes de papillon.
Pierre Bonnard

Übersetzt: Ich hoffe, dass meine Malerei halten wird, ohne Risse. Ich möchte vor den jungen Malern des Jahres 2000 mit Schmetterlingsflügeln ankommen!

Pierre Bonnards Palette im Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris | Foto: RMN-Grand Palais

Eine Palette von Pierre Bonnard wird aufbewahrt in Paris, im Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris (Petit-Palais).

Im Museum in Besançon ist diese Farbskala auch in den beiden großformatigen Bonnard-Gemälden mit Motiven aus Paris, „La Place Clichy“ und „Le Café du Petit-poucet“, wiederzufinden!


Im großen Saal zur Malerei und Plastik des 19. Jahrhunderts fällt der Blick auf ein Gemälde von Jean Auguste Dominique Ingres (1780-1867) “Portrait de l’architecte Jean-Baptiste Desdéban”. Es wurde um 1810 in Rom gemalt und ist offensichtlich nicht fertiggestellt. Der Künstler selbst und J.-B. Desdéban (1781-1833) hielten sich damals als Stipendiaten der Französischen Akademie in der Villa Medici in Rom auf.

Ingres selbst sollte einige Jahrzehnte später Direktor dieser Institution werden und schließlich den dargestellten Desdéban um mehr als 30 Jahre überleben.

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Ingres: Portrait de l’architecte Jean-Baptiste Desdéban, um 1810 (unten angeschnitten). Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie | Foto: Hermann Lehna

Auch hier ist aufgrund des unvollendeten Zustands des Bildes dem Maler geradezu bei der Arbeit zuzuschauen:

Über dem rotbraunen Grund sind

  • die Form und das Volumen des übergroßen Mantels und der Haare fast nur mit dunklen breiten Pinselstrichen angelegt
  • die Hand weiter durchgearbeitet
  • das Gesicht des jungen Mannes in strengem Profil, Ohr und Hals fast vollendet
  • die Hemdbrust in Untermalung streifig weiß, der zugeknöpfte Kragen schon etwas weiter gediehen –
  • und nach diesem schwungvollen Beginn hat Ingres das Bildnis des gleichaltrigen Künstlerkollegen einfach liegengelassen …

Dieses Bild ist ja “nur” ein unvollendetes, fast monochromes, nicht großformatiges Gemälde, und es springt im großen Museums-Saal mit opulenten Werken des 19. Jahrhunderts nicht gleich ins Auge. Umso auffälliger ist, wie häufig es im Internet gezeigt und besprochen wird; es scheint heutige Betrachterinnen und Betrachter wohl besonders anzuziehen.


Auch hier dabei: Gustave Courbet

Von Gustave Courbet (1819-1877), geboren in Ornans (Doubs), zeigen wir hier zwei Gemälde mit Szenen aus der Franche-Comté. Auch sie befinden sich im 19.-Jahrhundert-Saal , in der Nähe des in unserem Hauptbeitrag über Besançon erwähnten „Hallali du Cerf“.

Zunächst “Braconniers dans la neige“, 1864 (Wilderer im Schnee; Ausschnitt):
Schau dir unten rechts an, wie Courbet die Farbe mit dem Malspachtel temperamentvoll aufträgt und die Farbsubstanz wie verkrustete Schneereste auf Laub spröde Spuren hinterlässt. Ein geradezu abstraktes, gestisches Bilddetail.

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Braconniers dans la neige,1864 (Ausschnitt). Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie | Foto: Hermann Lehna

Dann Courbets ”Le Gour de Conche” (1864, 74x60cm), eine Landschaft mit dem Wasserfall des Wildbachs Conche in den Bergen unweit von Salins-les-Bains. Courbet hat eine typische Landschaftsformation seiner Heimat einerseits exakt erfasst und gleichzeitig kunstvoll überhöht:

  • Das klare, wilde Wasser in der Bildmitte, das sich in einem spiegelnden Kolk staut und im Vordergrund in Richtung des Betrachters weiter abfließt
  • Rechts der mineralische Bereich mit dem Kalksteinfelsen, der wuchtig vorzudrängen scheint, und von dem ein abgestorbener Baum herabhängt
  • Links der pflanzliche Bereich mit überschlanken Bäumen, herbstlich eingefärbt
  • Ein eng begrenzter Ausblick aus dem tiefeingeschnittenen Tal ins Himmelblau oben rechts
  • Zwei winzige menschliche Figuren auf einem Steg über dem Wasserfall, die die eigenartig beleuchtete Szenerie aus dem Bild heraus betrachten
  • Die frische, aber zum Düsteren neigende Farbigkeit des Herbstes in einer Waldschlucht der Franche-Comté.
Gustave Courbet: Le Gour de Conche, 1864 | Foto: Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie Besançon

Fazit

Dieses Museum überrascht durch seine sehr vielseitige und sehr qualitätvolle Sammlung. Außerdem begeistern die ungewöhnliche Gebäudestruktur und die gelungene Präsentation der Werke.


Kunst-Fans können in Besançon darüber hinaus die Kathedrale, das Musée du Temps im Palais Granvelle und den Fonds régional d’art contemporain in ihr Besuchsprogramm aufnehmen. In den beiden ersteren wird man auf bedeutsame Ausstattungs- und Sammlungsstücke älterer Kunst treffen, im letzteren mit zeitgenössischer Kunst konfrontiert.

Le Gour de Conche bei Salins-les-Bains | Foto: Hermann Lehna
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