Nicolas Mathieu: Connemara. Roman

mathieu,connemara hanser
Buchcover Verlag Hanser Berlin: Mathieu, Connemara

Klingt nach Irland und Whisky, meint aber ein sehnsüchtiges Chanson von Michel Sardou: „Connemara“ ist der Titel des neuen Romans von Nicolas Mathieu. Hélène und Christophe beginnen aus Frust und Langeweile eine Affäre, ungeachtet der unterschiedlichen Milieus, aus denen sie stammen. Es geht um die Krisen in der Familie, bei der Arbeit, in der Politik, genau beobachtet und mit viel Melancholie erzählt. Ein Bild der französischen Gesellschaft. Und alle tanzen zu „Les Lacs du Connemara“!

Hélène und Christophe sind in einer Kleinstadt bei Nancy aufgewachsen. Während Hélène zäh ihren sozialen Aufstieg samt Business-School erarbeitet hat, ist Christophe seiner Umgebung treu geblieben. Er hat es zu einer lokalen Eishockey-Berühmtheit gebracht. Zufällig treffen sich die beiden nach vielen Jahren wieder. Jetzt sind sie um die vierzig. Hélène ist aus Paris in die Region zurückgekehrt, um mit Ehemann und kleinen Töchtern in einem Architekten-Haus zu leben und ihre Karriere in einer Consulting-Firma voranzutreiben. Dabei steht sie mächtig unter Druck.

Christophe hatte nur sportliche Ambitionen in seinem Eishockey-Verein, aber das hat nicht so richtig geklappt. Er verdient sein Geld als Verkäufer von Hundefutter. Von seiner Jugendliebe Charlie ist er getrennt. Seine große Freude ist sein Sohn Gabriel, außerdem kümmert er sich um seinen dementen Vater. Wie gut, dass er noch seine alten Kumpels aus der Schule hat, mit denen er abhängen kann!

Als Hélène und Christophe ihre Affäre beginnen, wird ihr Leben endlich etwas spannender. Nicolas Mathieu schafft mit „Connemara“ eine Milieustudie, die Frankreich im Jahr 2017 kurz vor der Präsidentschaftswahl beschreibt. Ein tiefer Bruch geht durch das Land: Die Mittelschicht schwindet; die Kluft wächst zwischen den Großstädten und den ländlichen Kommunen. Damit der Staat an Infrastruktur sparen kann, wird die Neuordnung der französischen Regionen vorangetrieben, auch mithilfe von Consulting-Agenturen wie der von Hélène.

Unerbittlich ist die Auslese auf dem Bildungsweg. Wer die Grandes Écoles besucht hat, dem stehen die bestbezahlten Jobs offen. Dagegen tun sich die Geringverdienenden in der neuen Arbeitswelt schwer.

Aber zu „Les Lacs du Connemara“ tanzen alle, bei den Festen der Business-Schools in der Stadt genauso wie bei der Hochzeit auf dem Land. Der Song von Michel Sardou steht symbolisch für den Wunsch, das eigene Glück zu finden. Und wenn es beim ausgelassenen Tanzen auf dem Tisch ist!

Fazit:

Viele Themen stecken in diesem Roman. Er ist sehr politisch, auch wenn er privat daherkommt. Und Überraschung, das Ende ist gar nicht deprimierend. Der Roman „Connemara“ ist eine Empfehlung für alle, die Frankreich etwas besser verstehen wollen, die mehr wollen als touristische Einblicke.

Nicolas Mathieu: Connemara. Roman. Aus dem Französischen von Lena Müller und André Hansen.

Verlag Hanser Berlin 2022, gebundene Ausgabe 432 Seiten, 26 Euro
ISBN: 978-3-446-27377-1

Scroll to Top