Diese unglaubliche Weite
Der Ozean, die geradlinig verlaufende Küste mit ausgedehntem Strand, das flache Hinterland, der hohe Himmel. Selbst bei regem Besuch erscheinen die Strände nicht extrem voll und jede und jeder findet reichlich Platz. Denn die Flächen sind riesig: Acht Kilometer lang erstreckt sich ein großartiger breiter Sandstrand am flach abfallenden Atlantik ohne gefährliche Strömungen.
St. Jean-de-Monts wächst: 1968 noch 5000, 1990 6000, im Jahre 2019 schon 8700 Einwohner. Nicht eingerechnet die große Zahl an Urlaubern, insbesondere im Sommer: Dann wird eine Zahl von ca. 100.000 Bewohnern und Gästen angenommen, die sich auf Ferienwohnungen, Hotellerie und zahlreiche Campingplätze verteilen. Die Avenue de la Mer wird zur Fußgängerzone und die vielen Läden, Unterhaltungsbetriebe, Gastronomie und Fahrgeschäfte laden zum Flanieren und Genießen ein.
Strand – Ortskern – Marais
Die Ortschaft ist zweigeteilt: Am Meer liegt der Badeort mit Strand, der großzügigen Esplanade de la Mer und dem „Front de mer“, d.h. mehrstöckigen Appartementblöcken vor allem aus den 60er und 70er Jahren des 20. Jh. Dahinter ist die Bebauung niedriger und offener. Dann folgt, parallel zur Küste verlaufend, ein breiter Dünenstreifen mit Kiefernwald. Dieser Wald ist angelegt worden, um die Dünen zu befestigen. Hinter diesen sandigen Hügeln liegt „le bourg“, der Ortskern mit dem Platz als Mittelpunkt. Dort befinden sich auch die Kirche St. Jean mit dem markanten spitzen Glockenturm, sowie zahlreiche Geschäfte und kleinstädtische Infrastruktur. Weiter landeinwärts „le marais“, der Sumpf: eine flache, landwirtschaftlich genutzte Landschaft, durch Baum- und Strauchreihen gegliedert und von Entwässerungskanälen durchzogen.
Übrigens: Der Orts-Beiname „de Monts“ leitet sich ab von der Insel Monts „Insula de Montibus“, die erst nach und nach durch Dämme und Landgewinnung mit dem weiter zurückliegenden Festland verbunden worden ist.
Was unternehmen?
Erholung, Sport (ausgedehnte Fahrradwege, auch ein Abschnitt der EuroVélo 1), Unterhaltung – all das bietet St.-Jean-de-Monts. Die hölzerne 400 m lange Estacade Seebrücke lädt zu Spaziergängen übers Wasser ein.
Kulturell stellen St.-Jean-de-Monts und die Ortschaften in der Umgebung in der Saison einiges auf die Beine: Veranstaltungen und Ausstellungen, z.B. im Palais des Congrès Odysséa, wo sich auch die Touristeninformation befindet. Das Musik- und Straßentheaterfestival „La Déferlante“ lockt mit attraktiven Aufführungen in St.-Jean und weiteren Spielorten an der Küste und im Hinterland.
Spruchtafeln am Strand
„Hier schält, schneidet, tranchiert, köchelt man, man schneidet in dünne Scheiben, kocht, kostet – man weiß, was man isst.“
„Horizon pas net, on reste à la buvette! – Ist der Horizont nicht klar, bleibt man am Erfrischungsstand.“
Spezialitäten aus der Vendée
Mogettes sind weiße Bohnen, die in der Vendée angebaut werden. Lecker: Als Eintopf mit Suppengemüse gekocht, dazu Vendée-Schinken.
In ganz Frankreich bekannt sind die Kartoffeln von der Insel Noirmoutier. Der Anbau profitiert hier von einem besonders milden Klima und der salzigen Luft. Die Kartoffeln wachsen im sandigen Boden, der mit Seetang angereichert wird. Das macht den besonderen Geschmack aus.
Überall an der Atlantikküste der Vendée gibt es Salinen. Das grobe Salz ist zum Kochen, das feine Salz Fleur de Sel ist zum Würzen gedacht – eine Delikatesse!
Meerestiere spielen natürlich eine wichtige Rolle in der Vendée: Der Klassiker Moules Frites ist in vielen Restaurants zu haben, aber auch andere Muschelsorten, Austern und Krustentiere! Ich kaufe gerne an den Marktständen ein oder genieße eine Runde frische Austern – serviert mit Weißwein, Baguette und Salzbutter – in einer Bar à Huîtres, in einer Austernbar direkt am Wasser.
Berühmt sind die Sardinen aus Saint-Gilles-Croix-de-Vie: Diese gibt es in der Sardinenbüchse, gerne auch schön gestaltet als Jahrgangsedition.
Frisch und leicht sind die Weine des Anbaugebietes Fief Vendéens. Die Reben wachsen auf dem halben Weg zwischen Nantes und La Rochelle. Meine Favoriten kommen direkt von der Küste aus Brem-sur-Mer, von den Rebsorten Grolleau, Chenin Blanc und Gamay.
http://www.fiefsvendeens.com/notre-histoire/
Herrlich ist zum Abschluss ein Café Gourmand, ein Espresso mit kleinen Salzkaramell-Spezialitäten.
Boris Vian im Sommerurlaub
Boris Vian (1920 – 1959), Schriftsteller und Jazztrompeter, hat im Jahre 1946 in St.-Jean-de-Monts seinen Sommerurlaub verbracht. Damals war der Kontrast zwischen dem Dorf hinter der Düne und der kleinen Strandkolonie noch viel augenfälliger als heute. In kurzer Zeit schrieb Vian hier seinen Reißer „J’irai cracher sur vos tombes – Ich werde auf eure Gräber spucken“. Dieser Skandalkrimi aus der „Série noire“ handelt von Rassismus und Verbrechen in den Südstaaten der USA und wurde als Werk des vermeintlichen US-amerikanischen Autors Vernon Sullivan – Vians Pseudonym – veröffentlicht.
Museum Charles Milcendeau
Das Musée Charles Milcendeau ist dem Maler Ch. Milcendeau (1872-1919) gewidmet, einem Schüler des Symbolisten Gustave Moreau. Es besteht aus dem ehemaligen Wohnhaus des Künstlers, das er selbst exotisch im spanischen Stil ausgemalt hat und einem Museumsgebäude mit der Ausstellung von Werken des Malers. Ringsherum ist das Ensemble von großzügigen Gartenanlagen mit Obstbäumen und Blumen umgeben.
Am 21. Mai 2022 feierte das Musée Charles Milcendeau sein vierzigjähriges Bestehen mit einer Veranstaltungsnacht.
Milcendeau stammte aus der Vendée und reiste bevorzugt nach Spanien. So gibt es hier erstaunlicherweise nebeneinander ausgestellte Zeichnungen und Malereien mit Szenen aus dem „Marais“ und aus Kastilien.
Charles Milcendeau war einer von etlichen Künstlern, die seit Ende des 19. Jahrhunderts vor allem im Sommer in St. Jean arbeiteten, fasziniert vom Licht an der Küste und den Szenen auf dem Lande. Diese Maler werden auch als Groupe-de-Saint-Jean-de-Monts bezeichnet.*
Musée Charles Milcendeau
geöffnet Anfang April bis Anfang November (2022) (genaue Öffnungszeiten s. Website)
Le Bois Durand
85300 Soullans (etwas seitwärts von der D 69 zwischen Soullans und St.-Hilaire-de-Riez)
https://www.musee-milcendeau.fr
Freilichtmuseum, Garten, Festival, EuroVélo 1
Das Freilichtmuseum Écomusée de la bourrine du Bois-Juquaud am Ortsrand von Saint-Hilaire-de-Riez ist ein kleines ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen mit Garten, Hof, Hoftieren und „Bourrine“, dem Wohngebäude. Die im „Marais“ früher übliche, schlichte einstöckige Behausung mit Stampflehmwänden und Schilfdach wird in der Vendée Bourrine genannt. Im Jahre 1967 restaurierte die Gemeinde St. Hilaire dieses Anwesen nach dem Auszug der letzten Bewohnerin Armandine G. und richtete ein „Ecomusée“ ein.
Écomusée de la bourrine du Bois-Juquaud
geöffnet von Juli bis September (genaue Öffnungszeiten s. Website)
Chemin du Bois-Jucaud
485270 Saint-Hilaire-de-Riez (nördlich der D 69 Richtung Soullans)
https://www.sainthilairederiez.fr/la-bourrine-du-bois-juquaud
Der Garten: Le jardin des Rigonneries
Für Garten- und Pflanzenfans: Eine großzügige Gartenanlage mit verschiedenartigsten Bäumen, Sträuchern, Rosen, Blumen, die offensichtlich mit dem besonderen Kleinklima in Küstennähe zurechtkommen. Ein Ort des Genusses und der Ruhe: „Un bain de bonheur – ein Glücksbad“, wie eine Besucherin im Gästebuch der Homepage formuliert.
Le jardin des Rigonneries
i. A. geöffnet von Mai bis August
Route de la Marzelle à l’Oisson
85270 St.-Hilaire-de-Riez
https://lejardindesrigonneries.fr
Festival der Straßenkünste und der Musik: La Déferlante
Seit fast 30 Jahren bieten einige Gemeinden in den Départements Vendée und Loire-Atlantique im Sommer sehr unterschiedliche, immer unterhaltsame Kulturereignisse an.
EuroVélo 1 „Vélodyssée“, europäischer Fernfahrradweg entlang der Atlantikküste. Der Abschnitt von Fromentine bis St.-Gilles-Croix-de-Vie führt in St.-Jean-de-Monts auf der Esplanade de la Mer unmittelbar am Strand entlang.
https://www.lavelodyssee.com/itineraire/la-barre-de-monts-fromentine-st-gilles-croix-de-vie
Office de tourisme du Pays de Saint Jean de Monts
Esplanade de la Mer 67
85160 Saint Jean de Monts
https://paysdesaintjeandemonts.fr
Office de tourisme du Pays de Saint-Gilles-Croix-de-Vie (Außenstelle in Sion-sur-l’Océan, Ortsteil von St.-Hilaire-de-Riez)
Place Gaston-Pateau 21
85270 Saint-Hilaire-de-Riez
https://www.sainthilairederiez.fr/contacts/office-de-tourisme
Anmerkung
* vgl. Artikel (2013) in der Zeitung Ouest-France über einen Vortrag zur Künstlergruppe Le groupe de St.-Jean-de-Monts:
https://www.ouest-france.fr/pays-de-la-loire/challans-85300/christophe-vital-fait-revivre-les-artistes-du-groupe-de-st-jean-1767614