Die großartige Stadt Rouen haben wir leider nur einen Tag lang und bei Regen besucht. Es lohnt sich, länger in der größten Stadt der Normandie zu bleiben. Nicht nur die Altstadt mit ihren engen Gassen, einer gigantischen Kathedrale und den schönen Museen ist sehenswert, auch die neuen Viertel an der Seine wollen entdeckt werden. Für den ersten Eindruck haben wir diese 5 Tipps:
1. Die gigantische gotische Kathedrale Notre-Dame
Mit 151 Metern an der Spitze des Vierungsturms ist die Kathedrale von Rouen die höchste in Frankreich. Sie ist ein Meisterwerk der gotischen Architektur und die Grabstätte der normannischen Herzöge, darunter auch Richard Löwenherz.
Am eindrucksvollsten ist die Ansicht von der Place de la Cathédrale aus:
Die Westfassade ist reich verziert. Der älteste Teil ist der frühgotische Turm Tour St-Romain (1145 bis 1164 erbaut) ganz links. In der Mitte folgen drei Portale, zur rechten Seite schließt der Butterturm Tour de Beurre aus dem späten 15. Jahrhundert an. Dieser heißt so, weil er aus Abgaben finanziert sein soll, die die Bürger für ihren Butterkonsum während der Fastenzeit entrichtet hatten.
Die Bauabschnitte im 13. Jahrhundert: das Langhaus der Kathedrale, der Vierungsturm (1884 nach einem Brand aus Gusseisen erneuert), das Nordquerhaus (Portail des Libraires, Escalier des Libraires) und das Südquerhaus (Portail de la Calende).
Dann folgte der nächste große Schritt: der Ausbau der Westseite durch eine vorgelegte Schirmfassade mit zahlreichen Statuen von 1370 bis um 1450. Eine große spätgotische Fensterrosette (1509 bis 1521) ist über das Mittelportal gesetzt.
Monets Bilderserie zur Kathedrale von Rouen
Diese mächtige Westfassade aus Kalkstein lässt alles rundherum klein erscheinen. Bei wechselndem Licht (in der Normandie ändert sich da Wetter ja schnell) erscheinen immer wieder neue Strukturen und Details. Das hat den impressionistischen Maler Claude Monet so sehr beeindruckt, dass er zwischen 1892 bis 1894 eine Serie von 33 Bildern gemalt hat: zu verschiedenen Tageszeiten, bei unterschiedlichen Wetterbedingungen. Die Werke sind heute in Sammlungen auf der ganzen Welt verteilt. Ein Gemälde aus der Serie ist auch in Rouen im Musée des Beaux-Arts zu sehen, nämlich „Portail de la cathédrale de Rouen, temps gris“ von 1892. Auf der Website des Museums lässt sich das Bild mit Zoom betrachten:
https://mbarouen.fr/fr/oeuvres/la-cathedrale-de-rouen-le-portail-et-la-tour-d-albane-temps-gris
Kathedrale Notre-Dame
Place de la Cathedrale, 76000 Rouen
Es lohnt sich, der prächtigen Fassade den Rücken zu kehren und den Renaissance-Palast an der Place de la Cathédrale zu bewundern: Es ist das ehemalige „Bureau des Finances“. Vom Obergeschoss aus hat Monet einige seiner Bilder der Kathedrale gemalt. Ein Blick in den Innenhof muss sein, alte Baukunst trifft auf aktuelle Street Art.
2. Im Aître de St. Maclou tanzen die Skelette
Der Friedhof der benachbarten spätgotischen Kirche St. Maclou wurde als Massengrab angelegt, vermutlich im Pestjahr 1348. Im 16. Jahrhundert wurde mit einer weiteren Pestepidemie der Ausbau erforderlich:
Die Gemeinde beschloss, einen Kreuzgang zu bauen, der mit Dachböden versehen werden sollte, um die Gebeine aufzunehmen. Der Bau des Beinhauses begann 1526 mit dem Westflügel. Der Nord- und der Ostflügel wurden in den Jahren 1529 und 1533 fertiggestellt. Im 17. Jahrhundert kamen der Südflügel und die Saint-Michel-Kapelle hinzu. Hier wurden Schulen, natürlich für Jungen und Mädchen getrennt, untergebracht.
Ein Friedhof ist der Hof mit Kreuzgang und normannischem Fachwerk heute nicht mehr. Was aber noch zu sehen ist: Die Balken des Kreuzgangs sind mit Todessymbolik, Knochen, liturgischen Geräten, Totengräber mit Spitzhacke oder Särgen verziert. Die Säulen des West- und Ostflügels sind mit Skelett-Paaren geschmückt, die einen Totentanz darstellen. Bizarr!
Kunst und Genuss sind heutzutage angesagt im Aître de St. Maclou. Es gibt hier unter anderem eine Kunstgalerie und ein Keramikatelier, eine Pâtisserie und das coole Café Hamlet.
Aître de St. Maclou
Rue Martainville 185, Rouen (Zugang)
3. Auf den Spuren der Impressionisten im Musée des Beaux-Arts
Das Museum der Schönen Künste von Rouen bietet eine umfangreiche Sammlung großer Meister wie Caravaggio, Velásquez, Delacroix und Géricault.
Ein Highlight ist der Saal der Impressionisten: Die Präsentation der impressionistischen Gemälde folgt dem Lauf der Seine und zeigt die Orte, wo die Bilder entstanden sind. Die Seine, der Hafen, die Brücken, die Kathedrale oder die Gassen von Rouen – das waren die beliebten Motive der Maler. Werke von Léon-Jules Lemaître, Claude Monet, Camille Pissaro, Alfred Sisley, Gustave Caillebotte und Pierre Auguste Renoir sind hier zu sehen.
Nach einer Pause im Museumscafé sollte man sich unbedingt auch noch den Saal mit den Werken von Jacques-Emile Blanche (1861 -1942) aus Offranville anschauen. Dieser Maler porträtierte viele berühmte Persönlichkeiten Frankreichs aus seiner Epoche, unter anderem den Schriftsteller Marcel Proust.
Jacques-Emile Blanche: Le Groupe des Six, 1921, im Musée des Beaux-Arts Rouen | Foto: RMN-Grand Palais.
Ein großformatiges Porträt von Musikerinnen und Musikern, dabei auch der Maler und Dichter Jean Cocteau (oben rechts).
Musée des Beaux–Arts
Esplanade Marcel Duchamp, 76000 Rouen
Der Eintritt zur Dauerausstellung ist frei.
mbarouen.fr
4. Zerbrechliches im Musée de la Céramique
In der Nachbarschaft des Musée des Beaux-Arts befindet sich das Keramikmuseum von Rouen in einem Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert. Dazu gehört ein kleiner Barockgarten, er ist wunderschön! Hier werden Fayencen u.a. aus Rouen, Nevers, Moustiers und aus Norditalien gezeigt. Außerdem wird erklärt, was Fayencen sind, mit den unterschiedlichen Stilen und Dekoren.
Rouen war vom 16. bis Ende 18. Jahrhundert ein Zentrum für Fayence-Produktion. Die Manufakturen lagen am linken Ufer der Seine, zu Hochzeiten waren es mehr als 22. Die Werkstätten orientierten sich zum Teil am Stil der norditalienischen Fayencen. So ist zum Beispiel ein signierter Albarello (Apothekengefäß) aus dem 16. Jahrhundert erhalten oder ein blau bemalter Prunkteller aus dem 17. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert konzentrierten sich die Keramiker von Rouen vor allem auf Keramik des täglichen Bedarfs. Im Jahr 1710 wurde in Meißen das Geheimnis um die Porzellanherstellung gelüftet. Das sogenannte „weiße Gold“ war fortan begehrt. Das mag auf die Dauer auch den Niedergang der Fayence-Manufakturen in Rouen bewirkt haben.
Die Ausstellung in diesem Museum ist sehr gelungen. Sie macht auch Spaß, wenn man nicht Keramikexperte ist. Einfach mal reinschauen, der Eintritt ist gratis!
Musée de la Céramique
Rue Faucon 1, 76000 Rouen
Eintritt frei!
www.museedelaceramique.fr
5. Klein, bunt und mit Fachwerk – die Gassen von Rouen
Nördlich von der Kathedrale und von der Kirche St-Maclou gibt es viele Gassen zu entdecken, zum Beispiel die Rue Damiette mit ihren Trödel- und Antiquitätengeschäften. In der Rue du Petit Mouton wohnte für drei Jahre Simone de Bauvoir, als sie Lehrerin in Rouen war und noch keine berühmte Schriftstellerin.
In der Rue Eau-de-Robec wurde im Mittelalter frisch gewebtes Tuch gewaschen und in den Trockenböden der Häuser aufgehängt.
Fachwerkhäuser in Rouen zwischen Kathedrale und St. Maclou | Foto: Britta Lehna
… noch mehr Rouen
Diese fünf Tipps für Rouen reichen für einen Tag, für ein erstes Kennenlernen.
Wer mehr Zeit hat, sollte sich noch anschauen:
- Le Gros Horloge, der Uhrturm mit großer Astronomischer Uhr aus dem 16. Jahrhundert und die moderne Shoppingmeile Rue du Gros Horloge.
- Den Place du Vieux Marché beherrscht die 1979 errichtete Kirche Jeanne-d’Arc: Moderne Architektur und Renaissance-Glasmalerei aus der ehemaligen Kirche Saint-Vincent. Jeanne d’Arc starb, als Ketzerin verurteilt, am 30. Mai 1431 den Feuertod in Rouen an der Stelle des Vieux Marché. 24 Jahre später wurde sie rehabilitiert, zur Märtyrerin erklärt und schließlich 1920 heiliggesprochen. Die Gedenkstätte Historial für die Nationalheldin befindet sich neben der Kathedrale.
- Ein berühmter Sohn der Stadt Rouen ist der Schriftsteller Gustave Flaubert (1821-1880): Das Musée Flaubert et d’histoire de la médecine erinnert an den Schriftsteller und an seinen Vater. Es ist im ehemaligen Hôtel-Dieu untergebracht, der Wirkungsstätte des Vaters. Das Museum enthält persönliche Gegenstände, Möbel aus Flauberts Kindheit und eine Sammlung medizinischer Gegenstände. Der Pavillon Flaubert ist ein Gartenhaus, das neben dem Wohnhaus Flauberts in Canteleu–Croisset stand. Das Wohnhaus selbst existiert jedoch nicht mehr.
- Die Ufer der Seine verdienen weitere Aufmerksamkeit: Am Nordufer gibt es viele Bars zu erkunden. Auch das Shoppingcenter Docks 76 befindet sich hier. Am Südufer sind unter anderem das Ökoviertel Quartier Flaubert sowie das moderne Verwaltungsgebäude der Metropolregion, Hôtel de la Métropole, zu entdecken.
Service
Genießen:
Café Hamlet, Aître de St. Maclou, 76000 Rouen https://www.cafe-hamlet.fr
Viele Cafés und Restaurants gibt es in der Rue Martainville und am Platz vor der Kirche St-Maclou, Place Barthélémy.
Parken: Unbedingt auf den Parkplätzen außerhalb, das historische Zentrum soll nahezu autofrei bleiben.
Mit dem Zug ist Rouen von allen Richtungen gut zu erreichen. Direktverbindung von Paris nach Rouen.
Tourismusbüro Rouen Tourisme
Esplanade Marcel Duchamp, 76000 Rouen
(bei dem Musée des Beaux-Arts)
https://www.visiterouen.com/
öffentlicher Bücher-Tausch-Schrank vor dem Musée des Beaux-Arts
Ebenfalls vor dem Musée des Beaux-Arts in Rouen: Hinweise auf den Künstler Marcel Duchamp und Gustave Flauberts Roman „Madame Bovary“ | Foto: Hermann Lehna
Erstveröffentlichung: 24.06.2023