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Der Marquis Jouffroy d’Abbans und seine Dampfschiffe

Wer außerhalb Frankreichs kennt ihn, den Marquis Jouffroy d’Abbans? In der Aufbruchstimmung der technischen Revolution machte er sich in der Nähe von Besançon daran, ein dampfbetriebenes Schiff auszutüfteln. Seine ersten Versuche unternahm er im Jahr 1776 auf dem Fluss Doubs, wenige Jahre vor der Französischen Revolution. Berühmt für die neue Technik wurde ein Anderer.

Die Werkstatt im Schloss und zwei Versuche

„Motorisiert mit einer pompe à feu * – so müsste es vorankommen.“ Dies wird Claude François Dorothée, Marquis de Jouffroy d’Abbans (1751-1832) wohl gedacht haben, als er im Jahre 1776 über seinen Plänen für ein Schiff mit Maschinenantrieb brütet. Etwa 15 km von Besançon den Fluss Doubs abwärts hat der junge Adlige sich sehr zum Missfallen seines Vaters im Familien-Schloss in Abbans-Dessus eine Werkstatt eingerichtet.

Zuvor musste er eine militärische Karriere nach Querelen mit Vorgesetzten abbrechen. Deshalb saß er sogar zwei Jahre in Haft auf einer der Iles de Lérins vor Cannes.

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Gedenktafel für den Marquis de Jouffroy d’Abbans am Schloss von Abbans-Dessus | Foto: Hermann Lehna

Der Marquis findet allerdings keine Geldgeber für sein Projekt. Nur seine ältere Schwester ist bereit, ihm weiterzuhelfen.

Sie ist Stiftsdame in der vornehmen Abtei in Baume-les-Dames, von Besançon aus 30 km den Doubs aufwärts. Und sie kann schließlich ihre Äbtissin dazu bewegen, Mittel zur Unterstützung der ehrgeizigen Pläne ihres Bruders zur Verfügung zu stellen!

Mit der Hilfe des einfallsreichen Kesselschmieds Pourchot aus Baume-les-Dames wird nach den Entwürfen des Marquis ein kleines Schiff gebaut, die „Palmipède“ d. h. etwa: Flossenfüßler. Dieses dreht im Juni und Juli 1776 auf dem Doubs bei Baume-les-Dames seine Runden. Seine Dampfmaschine treibt flossenförmige Ruder an, die das Schiff in Bewegung versetzen (Visualisierung oben im Beitragbild).

Es handelt sich hier tatsächlich um die Erfindung und Realisierung des ersten Dampfschiffs!
Eine Abbildung von diesen Versuchen ist allerdings nicht erhalten.

Bei seinem zweiten Projekt, der größeren „Pyroscaphe“ d. h.: Feuerboot , wird Jouffroy d’Abbans von dieser Antriebsart abkommen und Schaufelräder einsetzen. Dieses Schiff testet der Marquis erfolgreich auf der Saône in Lyon 1783, vor großem Publikum. Aber das ist eine andere Geschichte. **

Denkmäler für Jouffroy d’Abbans

In Baume-les-Dames, unter schattigen Bäumen unmittelbar am Ufer des Doubs, erinnert ein Denkmal aus dem Jahre 1884 an die Versuche des letztlich glücklosen Marquis. Die Wirren der französischen Revolution und Intrigen in der Wissenschafts- und Technikszene von Paris hatten seinen Durchbruch verhindert.

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Jouffroy d’Abbans Denkmal in Baume-les-Dames von 1884; es wird bekrönt von einem steinernen Schaufelraddampfer.
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Jouffroy d’Abbans Denkmal in Baume-les-Dames; Inschriften | Fotos: Britta Lehna

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In Besançon begegnet einem Jouffroy d’Abbans als figürliches Denkmal gleich zweimal:

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Jouffroy d’Abbans Denkmal in Besançon im Jardin des Sens | Foto: Hermann Lehna

1. Am Ufer des Doubs in der Avenue d’Helvétie überragt die steinerne Statue des Marquis mitsamt Planrolle u. Schaufelrad (1946; auf Sockel von 1884) den Jardin des Sens Garten der Sinne.

2. Die zweite Denkmalfigur (1998, aus Bronze), geschaffen von Pascal Coupot, steht auf der Brücke, dem Pont Battant. Sie scheint in die Ferne, auf die Wasseroberfläche des Flusses zu schauen – oder in die Nähe auf die Liebesschlösser am Brückengeländer. Diese Plastik in Augenhöhe des Betrachters ist wohl derzeit das meistfotografierte Denkmal in Besançon.

Übrigens: Im angrenzenden Stadtviertel Battant, Rue du Grand-Charmont 1, befindet sich das Hôtel Jouffroy. Diesen spätgotischen Adelssitz hatten Vorfahren des ingeniösen Marquis im 15. Jahrhundert errichtet.

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Anmerkungen – eine andere Geschichte

* einer Feuerpumpe, also einer Dampfmaschine

** Hier folgt die „andere Geschichte“:
Ein Bild von dieser spektakulären Probefahrt Jouffroy d’Abbans‘ auf dem Fluss nahe bei der Kathedrale von Lyon 1783 erscheint rund 80 Jahre nach dem Ereignis in dem Buch von Louis Figuier: Les merveilles de la science (Band 1, 1867, S. 171 Seitenzählung bei Wikisource). Die unten stehende mangelhafte Reproduktion der Buchseite lässt die Pyroscaphe unterhalb der Brücke nur erahnen.

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Die Pyroscaphe auf der Saône in Lyon 1783. Abb. aus Figuier, Louis: Merveilles … via Wikisource (CC BY-SA 3.0)

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Und weiter in der „anderen Geschichte“:

Im Allgemeinen heißt es: Der US-Amerikaner Robert Fulton (1765-1815) „erbaute die ersten brauchbaren Dampfschiffe.“ (DTV-Lexikon, Bd. 7, S. 307, 2006).

Aber schauen wir ins frühe 18. Jahrhundert: Denis Papin (1647 -1713), der in der Folge der Protestantenverfolgung 1675 Frankreich verlassen hatte und schließlich im protestantischen Marburg Professor wurde, „ … baute 1707 ein durch seinen Dampfzylinder und Muskelkraft angetriebenes Schaufelradboot, mit dem er auf der Fulda von Kassel bis nach Münden fuhr. Dieses Schiff fand nach der Ankunft jedoch ein unrühmliches Ende.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Dampfmaschine; 2022/11/15)

1803, also deutlich später als des Marquis Jouffroy d’Abbans Erfolgsjahre 1776 (Baume-les-Dames) und 1783 (Lyon), führte der oben genannte Robert Fulton auf der Seine in Paris einen Test durch: Sein Dampfschiff sank. Sein Schiffsneubau absolvierte am 9. August desselben Jahres den zweiten Versuch auf der Seine erfolgreich, und dadurch wurde Fulton berühmt.
Um so mehr, als er in den USA ab 1807 mit der „Clermont“ einen funktionierenden Dampfschiff-Liniendienst auf dem Hudson River einrichtete (vgl. https://fr.wikipedia.org/wiki/Robert_Fulton. In diesem Artikel finden sich auch Hinweise auf die Dampfschiff-Versuche des John Fitch 1787 auf dem Delaware-River und des Schotten William Symington 1788; 2022/11/15).

Die Schifffahrt von der Muskel- oder Windkraft unabhängig zu machen und die Dampfmaschine als Antrieb zu adaptieren, das lag im späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert in der Luft und gelang schließlich auch, wie oben berichtet, auf dem Doubs bei Baume-les-Dames.


Ein aufwendig gearbeitetes Modell (1801) von Jouffroy d’Abbans’ zweitem Schiff „Pyroscaphe“ (1783) wird im Musée de la Marine in Paris ausgestellt: https://www.musee-marine.fr/content/bateau-vapeur-de-jouffroy-dabbans
(Das Musée de la Marine, Paris, ist bis 16. November 2023 geschlossen, seine Website nur in Teilen zugänglich.)

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